Girls´ Day & Boys Day in der Gemeinde Halstenbek

Celia Letzgus (Gleichstellungsbeauftragte), 3. von links Bürgermeister Jan Krohn und Teilnehmende am Girls´ Day und Boys Day im Rathaus der Gemeinde Halstenbek.

Am Donnerstag, den 27.04.2023 fand zum 23. Mal bundesweit der Girls´ Day und zum 13. Mal der
Boys Day statt. Ziel ist es, Mädchen für frauenuntypische aber zukunftsträchtige Berufe in
Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik zu interessieren. Jungen erhalten einen
Einblick in soziale Berufsfelder, die eher von Frauen ausgeübt werden. Es soll ein Bewusstsein für
die Folgen geschlechtsspezifischer Berufswahlverhalten geschaffen werden, welches häufig mit
großen Unterschieden in der Bezahlung einhergeht.

Am diesjährigen Girls´ Day und Boys Day in der Gemeinde Halstenbek nahmen über zwölf Mädchen und Jungen teil. Im Rathaus, in der Feuerwache, in den Büchereien und den Kindertagesstätten konnten sie vielfältige Erfahrungen sammeln und unbekannte Berufsfelder kennen lernen.

Im Rathaus lernten Schülerinnen und Schüler die Arbeit im Standesamt kennen, im Tiefbau, in der EDV, in den Hausmeisterdiensten oder die Integrationsarbeit. Die Auszubildende stellte den Beruf der/des Verwaltungsfachangestellten vor. Außerdem bekamen die interessierten Schülerinnen und Schüler von der Gleichstellungsbeauftragten aktuelle Informationen zur Berufswahl, zur Ausbildung und zu Berufen mit guten Zukunftsaussichten und konnten ihr neuerworbenes Wissen in der Rathausrallye gleich unter Beweis stellen. Zum Abschluss stand der Bürgermeister für die Fragen der jungen Leute zur Verfügung und gab Auskunft zu verschiedenen Projekten in der Gemeinde.

In Deutschland gibt es um die 400 Ausbildungsberufe. Mehr als die Hälfte der Mädchen entscheiden sich zwischen 10 Berufen, welche überwiegend schlecht bezahlt sind und wenig Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Die Folgen sind finanzielle Abhängigkeit und Altersarmut.

Jungen wählen viel selbstverständlicher aus einem breiteren Spektrum, bevorzugen aber gewerblichtechnische Berufe.

Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen liegt 18 % unter demjenigen von Männern und ihre Durchschnittsrente ist um 40 % niedriger.

Eine Ursache hierfür ist, dass Arbeit von Frauen traditionell schlechter bezahlt wird, als vergleichbare Branchen in denen überwiegend Männer beschäftigt sind.

In der Weimarer Republik und auch in den ersten Jahren der Bundesrepublik war es üblich, dass Tariflöhne von Frauen nur 70 bis 75 % der Männerlöhne betrugen. In den 1950er Jahren galt die berufliche Leistung von Frauen bei Arbeitsgerichten noch als „Minderleistung“ im Vergleich zur Pinneberger Tageblatt Pinneberger Zeitung Seite 2 von 3 „Normalleistung“ von Männern. Eine niedrigere Bezahlung wurde in den Nachkriegsjahren mit dem Argument begründet, dass Frauen eine geringere physische und psychische Belastbarkeit hätten. 1955 entschied das Bundesverfassungsgericht, das Frauenabschläge verfassungswidrig sind. In der Folge wurden Frauenlöhne aber nicht angehoben, sondern „Leichtlohngruppen“ erfunden. Erst 1988 wurden die „Leichtlohngruppen“ vom Bundesarbeitsgericht als mittelbare Diskriminierung (verschleierte Frauenlohngruppe) verboten. In dem Urteil wird ausdrücklich festgestellt, dass unter körperlich schwerer Arbeit auch stehende Tätigkeiten, taktgebundene, sich wiederholende Arbeiten, nervliche Belastungen oder Lärmbelästigungen sowie eine bestimmte erforderliche Körperhaltung verstanden werden.

Bis 1977 galt der § 1356 BGB, in dem es hieß „Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“

Häufig sind Branchen betroffen, in denen gepflegt, geholfen und gelehrt wird, also wichtige Arbeitsfelder, in denen unsere Gemeinschaft große Bedarfe hat und in denen ein großer Fachkräftemangel herrscht. Andererseits können weibliche Fachkräfte dem Arbeitsmarkt erst zur Verfügung stehen, wenn es ein qualitativ hochwertiges, quantitativ ausreichendes, flexibles und für alle bezahlbares Betreuungsangebot für Kinder sowie ältere Angehörige gibt.

Auch sind die Anforderungen in diesen Berufsfeldern an die dort tätigen Personen besonders hoch, manche Arbeitsplätze sind sehr laut, ein hohes Maß an Sauberkeit muss eingehalten werden oder es gilt Problemen, Leid und Aggressionen entgegenzuwirken und diese auszuhalten.

Nicht zuletzt ist die Verfügbarkeit über finanzielle Mittel ein Maß für die Selbstständigkeit und Anerkennung der Einzelnen in unserer Gesellschaft.

Am Girls´ Day lernen Mädchen gezielt und praxisnah eine Vielzahl von Berufen kennen, bauen eventuelle Vorbehalte gegenüber technischen, handwerkliche oder naturwissenschaftlichen Berufen ab und können die Arbeitswelt unmittelbar erleben. Jungen sammeln Erfahrungen in Berufsfeldern, die sie bislang noch nicht in Betracht gezogen haben – beispielsweise im sozialen oder pflegerischen Bereich.

Unternehmen, Betrieben und Einrichtungen erschließen sich wichtige und vielfältige Personalressourcen für die Zukunft.

Gründe genug für die Gleichstellungsbeauftragte und die Gemeinde Halstenbek sich am Aktionstag zu beteiligen, um Mädchen und Jungen für diese Thematik zu sensibilisieren und Berufe aus den verschiedensten Bereichen zu präsentieren. „Ziel ist es, allen Schülerinnen und Schülern unabhängig von ihrem Geschlecht ein breites Berufswahlspektrum zu bieten“, so Letzgus, „Mädchen sollten selbstverständlich aus technischen oder naturwissenschaftlichen Bereichen wählen können und Jungen aus sozialen Ausbildungsfeldern.“